■ Als Hedwig von Andechs in Rosenberg weilte
Und was sonst vor über 700 Jahren in Rosenberg geschah
Erleuchtet in Unwissenheit, belehrt durch Demut und Gewissenhaftigkeit wünsche ich mir von Herzen, allen die daran interessiert sind, die wahre Geschichte der Stadt Rosenberg in Oberschlesien mitzuteilen. Die Geschichte habe ich zusammengetragen mit Hilfe der ältesten Legende über die Gründung dieser Siedlung sowie jener Urkunden und Quellen, die sich in den Archiven von Breslau, Oppeln, Brieg, Prag, Dresden und Berlin befinden.
Ich hoffe und wünsche sehr, dass sich unter den Freunden Rosenbergs einige finden, denen diese Geschichte gefällt, dass sie angenommen wird, um mit Hochschätzung den nachkommenden Generationen übermittelt zu werden.
Mögen die niedergeschriebenen Ereignisse um diese schöne Stadt und ihre früheren Einwohner meinen Lesern Freude machen. Aufgesucht auf alten Karten sowie auf den Pergamenten vor Jahrhunderten bezeugter Urkunden, mit Mühe entziffert, gelesen mit Pietät und Eifer, um zu suchen was verloren war, möchte ich nicht nur die Neugierigen unter den Lesern wecken, sondern diese auch dazu anregen, vergangene Werte mit Sorgfalt zu erhalten. Ich meine Tugenden und Werte, die heute wie damals aktuell sind, die, obwohl das vielfach nicht erwünscht ist, dennoch wahrhaftig und ewig sind.
Bei der Suche nach den literarischen Quellen über die Gründung der Siedlung auf dem Gebiet des heutigen Rosenberg muß man sich an den Anfang des 13. Jahrhunderts begeben:
Zu dieser Zeit kam der damalige Breslauer Herzog, Heinrich I. (der Bärtige, 1201 – 1238), der ein großer Jäger war, auf einem seiner Jagdausflüge an eine Stelle, an der er die Rast einlegte und eine Stärkung einnahm. Dieser Vorfall, so trivial er auch war, bildete der Überlieferung nach den Anfang der Besiedlung von Rosenberg, einem Ort umgeben von dichtem Wald („Olesno“). Über das anschließend sich Ereignende berichtet uns die Legende von der schönen Rosa und dem edlen Ritter Woko, dem Ahnherr des späteren „Rosenberg“.
Es geschah vor langer Zeit, so fern unserer Erinnerung, daß das menschliche Gedächtnis kaum hinreicht, es für die Nachgeborenen zu behalten:
Der edelmütige Herzog Heinrich liebte die Jagd so sehr, daß er, wenn er das Wild verfolgte, in immer weitere Jagdreviere geriet. Als er wieder einmal in unbestimmter Gegend jagte, kam er an einen Ort, der ihn faszinierte. Er hielt seine Jagdfreunde an und stieg vom Pferd, um den sich bietenden Anblick zu genießen. Der Boden unter seinen Füßen wird bald den Namen „Berg der Rose“ tragen. Der herrliche, dichte Wald und das viele Wild gefielen dem Herzog dermaßen, daß er seinen Dienern befahl ein Jagdschloß zu bauen.
Als sich dies ereignete beschlossen einige, die das Schloß erbauten, dort zu bleiben, weil sie die Gegend um das Schloß lieb gewonnen hatten. Die ehrwürdige Gattin des Herzogs, Hedwig von Andechs, kam ebenfalls dorthin. Während ihr Gatte jagte, betete sie. Als die Diener des Herzogs das sahen, bauten sie eine Kapelle. Diese befand sich unmittelbar vor dem Jagdschloß und war dem Hl. Valentin geweiht, dem Willen der Herzogin entsprechend, die es so beschlossen hatte.
Die fromme Hedwig verließ des öfteren das Schloß und begab sich mit ihren Hofdamen in die unbekannte Wildnis. Ihr ständiger Begleiter war dabei das Bildnis der Hl. Mutter Anna, welches sie an einen beliebigen Baum hängen konnte um zu beten. Während sie dies eines Tages tat, geriet sie in ein starkes Gewitter. Ohne sich um anderes zu kümmern, suchte sie schnell Schutz im Schloß und vergaß das Bild an einem der Bäume. Es war eine Kiefer, von der bald der ganze Umkreis erfahren würde.
Bald kehrte der Winter ein. Viele der Ritter, die noch den Winter blieben, stellten fest, daß es ihnen doch langweilig wurde und verließen das Schloß in alle Richtungen. Unter ihnen war ein tapferer Krieger, Zawiss genannt, der auf Abenteuer aus war und sich daher in die südlichen Länder begab. Dort nun lernte er Jolanda kennen, in die er sich verliebte, und die seine Liebe erwiderte. Beide, Jolanda und Zawiss, begaben sich in die Heimat unseres tapferen Kriegers. Weil sie jedoch noch nicht durch die heilige Ehe verbunden waren, hatte Jolanda, aus einem großen Hause namens „Berg“ stammend, einen ständigen Begleiter und Berater, den gottesfürchtigen Priester Andreas. Dieser priesterliche Begleiter unserer Jolanda, die der fremden Sprache nicht mächtig war, hatte eine Mutter, welche aus der Gegend um das Jagdschloß stammte. In Kürze erreichten Jolanda, Andreas und Zawiss diese und wohnten im Schloß, welches sie gemeinsam zum neuen Zuhause wählten. Als nun der Herzog wieder einmal dorthin kam, dienten alle Bewohner des Schlosses diesem.
Zur gleichen Zeit, sehr weit nördlich unserer Gegend lebte in einem großen Palast, am weiten Meer ein alter und kränklicher Ritter. Seine einzige Stütze war die schöne Tochter Rosa. Die Händler aus dem Süden, auf der Suche nach Bernstein an das Meer reisend, berichteten diesem Ritter und seiner erstaunt zuhörenden Rosa von wunderbaren Quellen, die alle Leiden heilen könnten. Als dies Vater und Tochter vernahmen, beschlossen sie sofort auf die Reise zu gehen, in ein unbekanntes Land, sehr weit südlich von ihrem heimatlichen Palast entfernt. Während ihrer Reise nach Süden kamen sie auch zu dem Jagdschloß des edelmütigen Herzogs Heinrich. Verzaubert von der herrlichen Natur und der lieblichen Umgebung beschlossen sie einige Tage auszuruhen. Es dauerte nicht lange, bis sich im Schloß auch andere Gäste einfanden.
Die bekümmerte Mutter Jolandas nämlich, ohne Wissen über das Befinden ihrer Tochter, befahl ihrem ältesten Sohn, dem tapferen Woko, die Tochter und Schwester zu suchen, um sich über deren Leben in der barbarischen Gegend im Norden ein Bild zu machen.
Als Woko das Schloß, auf halbem Wege zwischen dem Meer im Norden und den heilenden Quellen im Süden liegend, betrat, ward er starr vor Überraschung. Anstatt seine Schwester Jolanda zu begrüßen, wie es sich ziemt, stand er da wie versteinert. Mit zitternder Stimme sprach er eine ihm Unbekannte an: „Wer bist du schöne Frau? Verrate mir deinen Namen du grünäugige Frau!“ Die freundliche Rosa, obwohl sie die Sprache des fremden Woko nicht kannte, erriet sie doch sein Ansinnen und verriet ihm ihren Namen. Als dieser ihn hörte, sagte er: „O wie schön bist du unbekannte Rose, sprich weiter zu mir, denn so süß ist dein Name und er ist auch der schönste von allen. Schließen wir bitte Freundschaft, weil ich sonst vor Verzweiflung sterbe.“ Als dies der Vater von Rosa hörte, erinnerte er diese lieber an ihre gemeinsame Reise in den Süden. Daraufhin antwortete unser Held Zawiss: „Meine geliebte Jolanda hat Sehnsucht nach ihrem Elternhaus und kennt jene Quellen, die ihr sucht. Machen wir uns doch zusammen auf die Reise gen Süden, um Frau Berg zu beruhigen und alle Krankheiten zu heilen.“
So geschah es: Jolanda und Zawiss, Woko und Rosa sowie ihr kranker Vater begaben sich auf die Reise zu den wunderbaren Quellen. Als sie endlich am Ziel ihrer Reise ankamen, es war der Namenstag des Hl. Michael (der 29. September), begab sich der alte Ritter zu den Quellen und gesundete - wie es in unserer Geschichte nicht anders sein kann - durch ein Wunder. Alle zusammen begaben sich danach zu Frau Berg, die überglücklich war, ihre Tochter wieder zu sehen, und nicht einen Augenblick zögerte, dem jungen Paar den Segen zu spenden. Auch der nun nicht mehr kranke Ritter aus dem Norden, ein rüstiger Alter – wie man sagt – verweigerte nicht dem zweiten Paar seinen Segen. Ob er ein Auge auf Frau Berg warf (die vielleicht selbst eine Witwe war), ist in der Geschichte nicht überliefert.
Auf jeden Fall wurden alle Verwandten und Bekannten unserer Helden auf eine Doppelhochzeit in das Jagdschloß des Herzogs Heinrich eingeladen. So geschah es, und das Schloß wurde bald schon nach den wundersamen Reisen vom Norden in den Süden und vom Süden in den Norden Zeuge von zwei Trauungen: Zawiss heiratete Jolanda und der tapfere Ritter Woko, Jolandas Bruder, heiratete die schöne Rosa. Rosas Vater vom Meer im Norden und die Mutter von Jolanda und Woko, Frau Berg aus dem Süden, waren glücklich über die günstige Fügung des Schicksals. Unser Herzog Heinrich freute sich ob all der Fröhlichkeit seiner Untertanen sowie der befreundeten Häuser.
Sofort nach der Hochzeit beschlossen beide Paare getrennt Wohnung in der Nähe zu nehmen. Der Bau der Häuser, eins nach Norden vom Schloß hin und eins nach Süden hin, stimmte mit den Richtungen überein, aus denen die jungen Frauen stammten. Rosa bemalte ihr fertiges Haus grün wie ihre Augen und verzierte die Wände mit roten Rosen. Jolanda bemalte ihr Haus schwarz – wahrscheinlich auch ihrer Augenfarbe entsprechend. Weil sie Rosa nicht nachstehen wollte, verzierte sie ihr Haus gleichfalls mit Rosenblüten. Bald erstrahlte selbst das Jagdschloß in einer Bemalung mit Rosenblüten. Schließlich konnten die in der Nähe erbauten Häuser sich davon nicht unverändert zeigen. Es begann die Siedlung beim Jagdschloß zu wachsen, weil die Umgebung viele Wanderer dazu anregte sich hier anzusiedeln.
Um diese Siedlung Stadt nennen zu dürfen, fehlten in ihr die Kirche, das Rathaus und eine Schule. Es wurde darum beschlossen zuerst eine Kirche zu bauen, so geschah es auch: Die kleine hölzerne Kapelle wurde abgerissen und an gleicher Stelle eine hölzerne, dem Hl. Michael geweihte Kirche gebaut. Dies geschah, um die wunderbare Heilung des Vaters von Rosa am Michaelstag zu würdigen.
Während der Kirchweih weilten viele berühmte Gäste am Ort. Sie alle bestätigten, daß dieser der schönste von denen sei, die sie bisher gesehen hatten. Der erste Geistliche nach dem Hl. Adalbert, der diese Gegend einst besucht hatte, war jetzt Andreas, der Berater und Diener Jolandas. Er wurde der erste Geistliche in unserer Gemeinde. In Kürze standen ein Rathaus und später eine Schule, bald wurde diese Siedlung zur Stadt mit dem Namen „Olesno“, was soviel bedeutet, wie „vom dichten Walde umgeben“, wir kommen gleich darauf zurück. Eine längere Zeit nach dem Tode der schönen Rosa und des tapferen Woko, aus dem Geschlecht „Berg“, beschlossen die Bewohner dieser Stadt ihr den Namen ihrer Vorfahren Rosa und Berg (= Rosenberg) zu geben und so heißt sie bis zum heutigen Tage...
Der Autor der ersten schriftlichen Fassung dieser Legende, der Rosenberger Augustiner und Pfarrer, Franz-Xaver Kuschel, schrieb diese vor seinem Tode nieder. Das war vor dem 8. April 1801.
Andreas Pawlik (Berlin)
Aus: Andreas PAWLIK, Als Hedwig von Andechs in Rosenberg weilte, in: Rosenberger Kreiszeitung Nr. 6(24), Juni 2006, Göttingen, S. 4-5
ERSTELLT: XII 2008 |
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