■ Aus den Tagen der Konföderierten
Von Valeska Gräfin Bethusy-Huc
|
Brief der Sascha Wodzinska an Herrn von Kertitz
Heut muß ich Ihnen von dem Fest erzählen. Denken Sie, wie die Starosten sich aus der Affäre gezogen haben: Sie mieteten ganz einfach eine Reihe von Wohnungen aus, ließen Türen durchbrechen und, wegen der Hitze alle Fenster ausheben, und schmückten die leeren Wände mit Tannengrün und bunten Fahnen. Bänke, Kisten und – ausgeräumte Bettstellen standen an den Wänden entlang und waren mit Decken und Kissen so geschickt arrangiert, daß man gar nicht erkennen konnte, welcher Art die Möbel waren, auf denen man Platz nahm. Das Prunkstück des Abends aber war ein „Freundschaftstempel“, der in dem größten der improvisierten Festräume stand. Der Tempel hatte einen Säulengang ringsum und ein goldenes Dach – in der Mitte stand ein sehr prunkvoller Altar, auf dem ein Feuer brannte, das von zwei schönen jungen Priesterinnen in weißen, silbergestickten Gewändern gehütet und erhalten wurde, und über den Säulen lief ein silbernes Band mit einer transparenten Inschrift in schönen, verschnörkelten Buchstaben, die lautete:
„Der ewigen Freundschaft, der unverbrüchlichen Treue!“
Der Staroste von Wielun hielt eine feurige Rede, in der er alle Polen aufrief zu fester, treuer Waffenbrüderschaft, und mit der er einen wahren Beifallssturm erregte. Ich habe nie eine ähnliche Begeisterung in einer Gesellschaft erlebt. Alle Männer tranken Brüderschaft vor dem Freundschaftsfeuer und als könnte es gar nicht anders sein, stimmte die ganze Gesellschaft ein Lied zur Verherrlichung Polens an. Ich habe es aus ganzem Herzen mitgesungen. Dann begann der Mazurka, und als es zu heiß in den Zimmern wurde, ließ der Starost von Krzepitz die Türen öffnen und der ganze Zug der Gäste marschierte paarweise hinaus, auf den Marktplatz und dann durch die engen dunklen Gassen. Musik und Fackelträger voran, wir alle hinterdrein; nach und nach wurden alle Fenster in den Straßen hell; die Leute, die wir aus ihren Träumen geweckt hatten, kamen auf die Straßen und schlossen sich in ihren Werktagskleidern den geschmückten Festgästen an. Manche schalten vielleicht wegen der gestörten Nachtruhe, aber unsre Herren machten soviel Lärm mit Singen, Schreien und Säbelrasseln, daß man es nicht hörte.
Als wir zurückkehrten, war das Feuer im Freundschaftstempel erloschen, denn die Priesterinnen hatten sich dem Zuge angeschlossen. Dafür standen lange, mit den köstlichsten Gerichten bedeckte Tafeln bereit, an denen wir uns niederließen. Leider verlief der Abend aber doch nicht so freudig, wie er begonnen hatte. An der Ehrentafel, an der die Herzogin, die Starosten und der Prinz obenan saßen, kam es nämlich zu Meinungsverschiedenheiten in betreff der künftigen Königswahl; denn wenn auch alle darüber einig sind, daß Poniatowsky nicht König bleiben kann, so stellte es sich doch heraus, daß die Meinungen über den künftigen König sehr verschieden sind. Einer der Starosten ließ sich in der Weinlaune dazu verleiten, ein Wohl auf die Czartoriskis als die für den Thron bestimmte Familie auszubringen. Da zerschlug der Prinz Radziwil, der in tödlicher Feindschaft mit den Czartoriskis lebt, seinen Pokal. Jirzy behauptet, es sei Zufall gewesen, aber die anderen nahmen es nicht so an, und ein beispielloser Lärm entstand an der Haupttafel. Bald wurden wir alle mit hineingezogen, denn das Festessen war beendet und die Herren hatten schon alle dem Wein gehörig zugesprochen. Sie verließen ihre Plätze, schrien und gestikulierten gegeneinander, während wir Damen versuchten, sie zu beruhigen. Da wir aber sahen, daß das nicht half, mußte jede sich entschließen, sich für eine von beiden Parteien zu erklären, und da die Herzogin glücklicherweise mit dem Prinzen zusammenhielt, so brauchte ich mich gegen keinen von beiden zu erklären. In vollem Lärm und Streit trennte sich dann die Gesellschaft, einander höhnisch „auf Wiedersehen beim Reichstage“ zurufend. Ich war sehr niedergeschlagen darüber, daß alle Freude so schnell in Streit, alle Liebe in Haß verwandelt worden war. Aber Jirzy tröstete sich, indem er sagte, wir Polen sind eben alle leidenschaftlich, da sei der Haß so leicht entflammt wie die Liebe. Aber im Ernstfalle würde doch der Patriotismus über allen Einzelhaß siegen und dem gemeinsamen Feinde gegenüber würden auch alle Polen gemeinsame Sache machen. Er sprach gut und klug und war sehr lieb an diesem Abend, während wir zwischen den stillen Wäldern durch die warme Sommernacht zurück nach Lublinitz fuhren..
Schreiben Sie mir bald, oder, noch besser kommen Sie wieder her. Das wäre eine große Freude für
Ihre Sascha W.
Aus: Valeska Gräfin BETHUSY-HUC (Moritz von REICHENBACH), Oberschlesische Geschichten, Berlin 1904, S. 134-137
Anmerkung: Im Rosenberger Kreisblatt, Nr. 10 v. 1.8.1970, wird der Schauplatz des obigen Geschehens der Stadt Rosenberg O/S zugeordnet.
ZURÜCK ZUR ÜBERSICHT
ERSTELLT: III 2008
|
LEBENSGESCHICHTEN
■ EDUARD ADLER
■ KARL JOSEPH VON AULOCK
■ CARL LUDWIG VON BALLESTREM
■ KONRAD BARDE
■ RUDOLF BARTSCH
■ DIE HERREN VON BEESS
■ GRAFEN VON BETHUSY-HUC ■ VALESKA VON BETHUSY-HUC ■ DIE HERREN VON BLACHA ■ PATER MATTHIAS BURNATZ
■ LAURENTIUS CHYLEK
■ FAMILIE VON DRESOW ■ PF. PAUL FOIK
■ FLORENTINE FÖRSTER
■ HERMANN FRIEDBERG ■ DIE GRAFEN VON GASCHIN
■ KURT GROBERG ■ GERTRUD GUILLAUME-SCHACK
■ PASTOR GOTTHARD HALM
■ IZABELA JAGIELLONKA/ZAPOLYA
■ FRIEDRICH JENDROSCH
■ PF. HUGO JENDRZEJCZYK ■ PROBST JOHANNES
■ FAMILIE VON JORDAN
■ PF. ANTON KALEJA
■ EMANUEL KANIA ■ PF. RICHARD KARBSTEIN
■ HUBERT KOLONKO
■ LEOPOLD IGNATIUS LABOR
■ JOSEPH LANGER
■ ALPHONS LIBERKA |