Tochter des Freiherrn v. Reiswitz, am 15. Juni 1849 in Oberschlesien geboren, und im Alter von 19 Jahren mit dem Grafen Bethusy-Huc auf Deschowitz vermählt, blieb sie in den ländlichen Adelskreisen, welche sie auch vorwiegend zum Schauplatz ihrer Romane macht, besonders heimisch; aber bei ihrer reichen Fantasie und Erfindungsgabe weiß sie dem Stoff immer neuen Reiz zu geben, immer neue, fesselnde Seiten abzugewinnen. Weite Reisen und der Verkehr mit den verschiedensten Menschen, welche die Gräfin durch ihre große Liebenswürdigkeit zu fesseln versteht, hatten den größten Einfluß auf ihre poetische Entwicklung und regten sie mehr und mehr zu schriftstellerischer Thätigkeit an, mit der sie erst im 30. Lebensjahr in die Oeffentlichkeit trat.
Schon ihre ersten Romane „Der Sohn des Flüchtlings“ und „Die Eichhoffs“ zeugen von feiner Beobachtungsgabe und großer Menschenkenntnis und erregten bei ihrem Erscheinen allgemeines Interesse.
Auch in dem bald darauf folgenden Roman „Die Schloßfrau v. Dromnitz“ verstand es Gräfin Valeska die Menschen aus dem wirklichen Leben herauszugreifen und scharf abgegrenzte Charaktere zu schildern, durch lebendige Handlung den Leser zu fesseln und ihn durch die elegante Sprache in eine behagliche Stimmung zu versehen. In „Durch“, „Auf Umwegen“, „Novellen“, „Coeurdamen“ heben sich die Gestalten, selbst die Nebenfiguren, mit plastischer Schärfe ab, und mit regem Interesse folgt man der innern und äußern Entwicklung und den Erlebnissen der einzelnen Figuren. — Die sozialen Verhältnisse der oberschlesischen Arbeiter, welche die Gräfin sehr interessierten, ließen den Roman „Die Lazinskys“ entstehen, in dem sie eine feine Beobachtungsgabe der verschiedensten Situationen und menschlichen Verhältnisse entfaltet.
Der Stempel noch größerer Vollendung ist dem Roman „Seine Frau“ aufgeprägt, der uns ein reines, edles Frauengemüt schildert, welches in dem Gefühl, Glück nicht nur vom Leben erwarten, sondern sich durch treue Pflichterfüllung selbst schaffen zu müssen, den Gatten, der seinen Beruf außerhalb der ihm bestimmten Welt sucht, zur Achtung und dann zur Liebe zwingt, und ihn zu feinem alten Pflichtenkreis und dadurch auch zum Glück zurückführt.
Ueber „Das Paradies des Teufels“ scheint der üppige Farbenglanz des Südens gebreitet, in dem hauptsächlich dieser Roman spielt; mit wunderbarem Zauber fesseln uns die trefflichen Naturschilderungen und der Gegensatz der beiden Frauencharaktere ist vorzüglich durchgeführt.
In allen Werken der Dichterin sieht man das Spiegelbild dessen, was sie erlebt und beobachtet hat. Ohne das ideale Ziel aus den Augen zu lassen, schildert sie die Menschen und die Gesellschaft der Gegenwart, wie sie wirklich sind. Obgleich ihre Geburt und ihr Rang sie in der vornehmen Gesellschaft leben läßt, hat sie sich auch in allen anderen Gesellschaftskreisen bewegt und sich aus eigner Anschauung ein Urteil gebildet. So unterscheidet sie sehr wohl das rein Menschliche, überall gleiche, von Standesvorurteilen, Standesvorzügen und Nachteilen, und giebt so in ihrer lebhaften Darstellungsweise ein gelungnes Zeitgemälde in ihren Schriften, das nicht ohne kulturhistorisches Interesse ist.
Im Umgang ist Gräfin Bethusy-Huc liebenswürdig, einfach, natürlich und von einer Jugendfrische, die erwarten läßt, daß sie noch viel Schönes und Gutes der Welt bieten werde.
Lina Morgenstern
Aus: Lina MORGENSTERN , Gräfin Valeska Bethusy-Huc, in: Die Frauen des 19. Jahrhunderts, Berlin 1891, S. 382-383
ERSTELLT: V 2009